Lieber Nivea-Bubi als Migros-Boy

migrosGenosse Bodenmann bezeichnet mich und andere SP-Parlamentarier wegen unserer Ablehnung des revidierten Kartellrechts in der Weltwoche von vergangener Woche als „Nivea-Bubis“. Witzigerweise trifft das in meinem Fall den Nagel sogar genau auf den Kopf. Bei mir stehen tatsächlich praktisch ausnahmslos Nivea-Produkte im Badezimmer –  eine frühkindliche Prägung aus dem Elternhaus, die ich trotz intensiver Differenzierungsexperimente nicht recht loswerde. Aber das hat Peter Bodenmann natürlich nicht gemeint. Sein Vorwurf besteht darin, wir hätten mit der Verhinderung einer vermeintlichen Verschärfung des Kartellrechts die überrissenen Preise einiger Importeure zu Lasten der Konsumenten geschützt. Dieser Vorwurf greift allerdings reichlich zu kurz.

Niemand hat Freude an privaten Kartellen und zu hohen Preise. In der Realität leidet die Hochpreisinsel Schweiz vor allem an überhöhten Preisen in regulierten Bereichen: Etwas mehr als die Hälfte der 40% Preisdifferenz zwischen der Schweiz und unseren Nachbarländern geht auf die Mieten zurück, 4% entfallen je auf Nahrungsmittelpreise und Gesundheitsdienstleistungen. Hingegen machen Freizeit- und Kulturangebote und die Preise im Gastgewerbe nur noch 3%, resp. 2% aus. Wer also meint, die Schlacht um die Kaufkraft werde beim Joghurt- und Deopreis entschieden, ist auf dem ökonomischen Holzweg.

Erstaunlich an Bodenmanns Position ist aber vor allem eines. Er, der nicht müde wird der SP zu erklären, sie sei zu wenig links, zu wenig klassenkämpferisch, zu wenig antikapitalistisch, vergisst, das Konsument_innen zuerst einmal vor allem eines sind: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ihr ökonomisches Schicksal entscheidet sich vor allem an der Frage, ob ihre Löhne zum Leben reichen oder nicht. Und hier ist die Rechnung relativ einfach: Man kann die gleichen Preise fordern wie bei den Harddiscountern Aldi und Lidl in Deutschland. Die Folge in der Realität sind dann aber auch Löhne wie im Aldi oder Lidl in Deutschland.

Die vorliegende Reform des Kartellrechtes hätte ausserdem der Entpolitisierung der Wirtschaftspolitik weiteren Vorschub geleistet. Unter dem Vorwand der Professionalisierung hätte die Wettbewerbskommission (WeKo) zu einem mächtigen Expertengremium umgebaut werden sollen. Und wer die Landschaft der Kartellrechtler kennt, weiss was das bedeutet hätte: Die Folge wäre, dass uns scheinbar „objektive“ Wissenschafter_innen erklärt hätten, dass einzig die reine, neoliberale Lehre die richtig Antwort auf die vermeintlichen „Sachzwänge“ der wirtschaftlichen Realität sein kann. Zur Erinnerung: Es war die Weko, die in der Schweiz die unkontrollierte Öffnung des Strommarktes vorangetrieben hat.

Die einzigen, denen die Reform wirklich etwas gebracht hätte, wären die Grossen im Business. So hätten die grossen Detailhändler dank ihrer Marktmacht ihre Position gegenüber den Importeur_innen und ihren kleineren Konkurrenz gestärkt. In Tat und Wahrheit ist es sogar so, dass der orange Riese einige Anträge für die Kartellrechtsrevision gleich selber verfasst hat. Wer glaubt ernsthaft, dass dabei die Interessen der Konsumenten und der Arbeitnehmerinnen im Vordergrund standen? Eben. Vielleicht sind wir also Nivea-Bubis. Dafür aber sicher keine Migros-Boys.

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