Lieber Roger Köppel – ich gratuliere!

Lieber Roger Köppel, ich gratuliere! Natürlich zum baldigen Vaterglück, aber noch mehr zu einer anderen Leistung. Roger Köppel hat mal wieder vorgemacht, wie man ein todgeweihtes Schiff zurück auf Kurs bringt. Es hat ihn zwar wohl einige Mühe gekostet, bis sich irgendjemand für die altbekannten ultrakonservativen Positionen des Weltwoche-Chefredaktors neu begeistern, bzw. – und das ist besser für die LeserInnenzahlen – empören konnte.

Gleich dreimal musste er die Schwangerschaft der ABB Chefin Jasmin Staiblin zum Hauptthema seines Kampfblattes machen und auf den Moment warten, bis irgendeiner in einer langweiligen Minute im Zahnarztvorzimmer tatsächlich mal wieder eine Weltwochentitelseite umschlug. Die billige Provokation hat er seinem Mentor, dem Alt-Bundesrat, abgeschaut. Und immer wieder fallen Medien und Öffentlichkeit drauf rein: Es geht diesen gesellschaftspolitischen Neandertalern gar nicht darum, wirklich über die Rolle der Frau, die Kinderbetreuung oder die Gleichstellung zu diskutieren. Natürlich nicht, es geht um Emotionenhascherei, Quoten, Leserzahlen und Wähler (und leider auch -innen). Roger Köppel, ein Mann der Tat. Er hat nicht gewartet, bis der Bund einspringt, sondern er hat sich sein eigenes Konjunkturpaket gleich selber gebastelt – mit freundlicher Unterstützung der steuer- und abgabenfinanzierten staatlichen Medien.

Ein Einkommen muss reichen!

Eines allerdings muss man ihm und der Weltwoche zu Gute halten, obwohl das den Herren in den Redaktionsräumen herzlich egal sein dürfte: Aber die Frage, wo wir eigentlich in Sachen Gleichstellung und Emanzipation in diesem Land stehen, ist absolut berechtigt. Nur haben eben gerade die Köppels in diesem Land massgeblich daran gearbeitet, dass wir noch nicht weiter sind. Gerade wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Noch immer gibt es in der Schweiz fast keine Teilzeitstellen für Frauen und Männer. Und wenn, dann könnten es sich die meisten Familien gar nicht leisten, zweimal „nur“ Teilzeit zu arbeiten. Lassen Sie mich darum Klartext reden: Es muss endlich möglich sein, dass eine Familie mit dem Einkommen aus einem Vollzeitpensum über die Runden kommt – und zwar dann, wenn sich die Partner die Erwerbsarbeit teilen. Die Einkommensdifferenz sollen Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam ausgleichen. Gerade in Zeiten der Krise würde ein solches Modell die Kaufkraft stärken und die Arbeitslosigkeit senken helfen.

Ist das der moderne Mann?

An der aktuellen Diskussion stört mich aber noch etwas anderes. Das mag überraschen, aber mich stört weniger die Diskussion darum, ob eine Frau nun ein Unternehmen führen soll, darf und kann – dass sie darin oft sogar besser sind als ihre männlichen Kollegen beweisen sie nämlich Tag für Tag selber – vielmehr fühle ich mich als junger Mann in eine Ecke gestellt, in der ich nicht stehen will. Ein Beispiel: Im „Club“ vom letzten Dienstag diskutieren zwei echte Powerfrauen mit zwei Vollzeit- und Vorzeigemüttern über Kindererziehung, die optimale Stilldauer, Familienorganisation, Nähe und Distanz zu Kindern, Mutter-Kind-Beziehung und wie frau es als Frau eben hinkriegt, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen… kurz um die Frage, wie die moderne Familie in der Schweiz des 21. Jahrhunderts funktioniert und funktionieren kann. Die beiden anwesenden Männer allerdings sind bestenfalls entfernte Beobachter, die bereits einmal gesehen haben, dass ihre Frau dies und das mit ihrem Kind tut oder versucht wieder ins Berufsleben einzusteigen. Sie stellen betroffen fest, dass das für ihre Partnerinnen tatsächlich nicht einfach ist – mehr nicht. Ähm hallo? Wieso fragt eigentlich keiner, wo denn die Väter in diesem Land sind? Ist das der moderne Mann? Sind es nicht auch Rabenväter, denen die Leserzahlen Ihres Wochenblatts wichtiger sind als die Zeit mit ihrem Kind? Muss ich mich als junger Mann, der durchaus auch einmal Kinder möchte, der sie miterziehen will, der mitentscheiden will, wer wie lange wen stillt oder eben „schöppelet“ und hütet, der auch gerne Teilzeit arbeiten will, um Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, plötzlich wieder quer in der Landschaft fühlen? Sind wir wirklich noch nicht soweit, dass die Familie als wirklich gemeinsames Projekt von Frau und Mann – oder auch Frau und Frau und Mann und Mann – gilt? Offensichtlich nicht.

Liebe Frauen… bitte wählt richtig!

Liebe Frauen: Ihr habt Recht, wenn ihr sagt, wir Männer müssten noch daran arbeiten, uns zu emanzipieren, den komischen Stolz des Alleinernährers abzulegen. Aber eine Bitte sei mir gestattet: Wenn endlich all die Powerfrauen und -männer in diesem Land, die merken, wie verdammt schwierig es ist, Familie und zweimal Beruf zu organisieren, sich bewusst werden würden, dass der Mangel an Kinderkrippen und Ganztagesbetreuung kein Zufall, sondern ein Mangel an politischem Willen ist, und endlich aufhören würden, die dauernden konservativen Verhinderer und -innen aus CVP, FDP und SVP zu wählen, dann wäre eine wirklich gleichberechtigtes Familienmodell in greifbarer Nähe.

Erschienen in der Mittellandzeitung vom 23.7.2009.

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