Das „Erfolgsmodell Schweiz“ basiert ganz zentral auf der Qualität unseres Service public, auf der (direkten) Demokratie und auf einer Wirtschaftspolitik, die den Reichtum rückverteilt und damit die Nachfrage und vor allem die Kaufkraft stützt. Es ist sicher kein Zufall, dass es einem Land wie dem unsrigen, wo alle wichtigen Leistungen für die Bevölkerung von der öffentlichen Hand erbracht werden (Bildung, Gesundheit, Wasser, Energie, öffentlicher Verkehr, etc.), wirtschaftlich immer noch so gut geht. Der Service public spielt auch eine wichtige Rolle für den nationalen und sozialen Zusammenhalt: So werden die nötigen Dienstleistungen im ganzen Land zu zahlbaren Konditionen angeboten, während die Gewinne der öffentlichen Unternehmen wieder den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu Gute kommen.
Genau diese wichtigen Vorteile werden aber von neuen Freihandelsabkommen bedroht, die weite Teile des öffentlichen Dienstes dem „freien“ Markt überlassen und der demokratischen Kontrolle entziehen wollen. Die Schweiz nimmt zwar nicht an allen Verhandlungen teil (viele betreffen nur die EU, die USA und Kanada), sie könnte aber durch das „Cassis-de-Dijon“-Prinzips zu deren Umsetzung gezwungen werden.
Seit dem Scheitern der Strommarktliberalisierung in einer Volksabstimmung 2002 wurde der Service public während etwas mehr als zehn Jahren kaum angegriffen. Einige Leistungsverschlechterungen wurden zwar politisch durchgesetzt, die wichtigsten Liberalisierungs- und Privatisierungsvorhaben konnten aber deutlich bachab geschickt werden. Sowohl die Bevölkerung als auch die politischen Eliten hatten nämlich inzwischen gemerkt, dass die Umsetzung der neoliberalen Rezepte katastrophale Folgen nach sich zieht. Das Resultat ist immer das gleiche: Die Gewinne werden privatisiert, die Verluste bezahlt die Öffentlichkeit. Am Schluss muss nämlich immer wenn es Probleme gibt die öffentliche Hand zu Hilfe gerufen werden. Spätestens seit 2010 allerdings dreht der Wind wieder. Einerseits scheint die Erinnerung an die gescheiterten Privatisierungsprojekte in anderen Ländern zu verblassen (z. B. die gescheiterte Privatisierung der britischen Bahn). Anderseits wurden die jüngsten Versuche eben erst unternommen – die Politik hat die drastisch negativen Konsequenzen noch nicht zur Kenntnis genommen (z. B. die von der „Troika“ erzwungenen Privatisierungen in überschuldeten Ländern). Zudem rollt ein echter Tsunami von Liberalisierungen und entsprechendem Chaos auf uns zu, falls die Freihandelsabkommen CETA (UE-Canada), TTIP/TAFTA (UE-USA) und TISA jemals in Kraft treten sollten. Die Schweiz sitzt zwar nur bei den TISA-Verhandlungen direkt mit am Tisch (die in Genf unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden), aber sie könnte in Zukunft gezwungen werden, sich auch weiteren Abkommen anzuschliessen. Bundesrat Schneider-Ammann hat erst kürzlich angekündigt, sich dem TTIP-Abkommen anschliessen zu wollen.
Mit diesen Freihandelsabkommen sollen vor allem so genannte „Importschranken“ abgebaut werden. Unter diese „Schranken“ werden auch staatliche Regeln und Vorschriften gezählt. Zum Beispiel Regeln bezüglich des Gesundheits- oder Umweltschutzes (z. B. das Gentechverbot oder Raumplanungsvorschriften), dem Arbeitsrecht (z.B. allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge), den Sozialversicherungen (z.B. das Krankenkassenobligatorium), Regeln zum Schutz einheimischer Produktion (z.B. Herkunftsangaben) oder der Service public (z.B. das öffentliche Monopole in der Volksschule oder die Wasserversorgung). Treten diese Abkommen in Kraft, so kann keine Unternehmen mehr davon abgehalten werden, seine Güter oder Dienstleistungen gleichberechtigt in einem anderen Vertragsstaat zu verkaufen oder anzubieten.
Bringt nun beispielsweise ein US-Unternehmen ein gentechnologisch modifiziertes Saatgut in den USA legal auf dem Markt, so muss es die EU nach den TTIP-Regeln ebenfalls zulassen. Und über das „Cassis-de-Dijon“-Prinzip würde es dann auch in der Schweiz zugelassen. Sollten wir trotzdem das vom Volk beschlossene Gentech-Verbot durchsetzen wollen, so könnte das „geschädigte“ Unternehmen die Schweiz vor einem geheim tagenden Schiedsgericht auf Schadenersatz in Millionenhöhe verklagen – eine Rekursinstanz ist nicht vorgesehen.
Das klingt zwar nach einem schlechten Science-Fiction-Film, ist aber leider bereits heute eine Realität. Der Staat Uruguay wurde von einem Tabak-Multi vor einem solchen Schiedsgericht auf Schadenersatz in der Höhe von mehreren Millionen US-Dollar verklagt. Die Firma stellt sich auf den Standpunkt, das neue Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen würde eine solche Importschranke darstellen – und macht genau so eine „Investorenschutzklausel“ gelten, wie sie TTIP, TISA und CETA auch vorsehen. Dass das Gesetz dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dient, spielt keine Rolle mehr.
Die Abkommen sehen zudem auch eine Regel vor, wonach Güter oder Dienstleistungen, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verträge keiner Regulierung unterliegen, niemals mehr reguliert werden dürfen. Das gilt auch für alle Produkte und Dienstleistungen, die erst in Zukunft einmal erfunden werden. So hätte zum Beispiel die Atomkraft nie reguliert werden können, wenn ein solches Abkommen vor ihrer Erfindung unterschrieben worden wäre – auch dann nicht wenn, wenn es um den Schutz der Menschen geht. Aus der gleichen Logik wäre es auch nicht mehr möglich, einmal liberalisierte oder deregulierte Bereiche wieder der öffentlichen Kontrolle zu unterstellen – auch dann nicht, wenn sich das Volk in einer Abstimmung genau dafür aussprechen würde oder wenn ein Liberalisierungsversuch scheitern sollte.
Unabhängig von ihren konkreten Inhalten sind diese Freihandelsabkommen deshalb schon aus demokratischer Sicht inakzeptabel. Sollten Parlament oder Volk solchen Verträgen zustimmen, würden wir unsere demokratischen Rechte selber massiv beschränken: Wir könnten einmal liberalisierte oder bisher noch nicht regulierte Bereiche nie mehr demokratisch kontrollieren. Eine solche „ewige Fessel“ für die Demokratie ist mit den Grundsätzen unseres Rechtsstaates unvereinbar. Diese Abkommen stellen also die demokratische Souveränität der Schweiz in Frage und sind eine gravierende Gefahr für den Service public. Sie gefährden lange erkämpfte und verteidigte soziale Errungenschaften, wie etwa den Gesundheitsschutz, den Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmerschutz oder den Umweltschutz. Wir werden sie deshalb vehement bekämpfen.
Gezeichnet, die SP-Nationalrätinnen und Nationalräte Jacqueline Badran (ZH), Marina Carobbio Guscetti (TI), Jean Christophe Schwaab (VD), Carlo Sommaruga (GE) und Cédric Wermuth (AG), sowie François Clément, Vize-Zentralsekretär und Fabian Molina, Präsident der JUSO Schweiz.
Dieser Text ist am 26. Januar 2015 in Le Temps erschienen. Der Tages Anzeiger berichtet ebenfalls.
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Les nouveaux accords de libre-échange menacent le « modèle suisse »
Le succès du « modèle suisse » de cohésion sociale repose notamment sur la qualité du service public, sur la force de notre démocratie et sur une politique économique qui – certes imparfaitement – redistribue les richesses et privilégie la demande, en particulier le pouvoir d’achat. Ce n’est certainement pas un hasard si un pays dont tous les services essentiels (santé, éducation, eau, énergie, transports, etc.) sont en mains publiques est en si bonne santé. Le service public joue un rôle déterminant en matière de cohésion nationale et de redistribution des richesses : il garantit que les prestations nécessaires soient disponibles dans tous le pays à un coût abordable, tandis que les bénéfices de entreprises publiques reviennent aux contribuables.
Or, ces avantages sont menacés par de nouveaux accords de libre-échange qui visent à imposer le primat du marché à de larges pans du service public, tout en restreignant l’usage des droits démocratiques. La Suisse n’est pas partie aux négociations de tous ces accords (la plupart ne concerne formellement que les USA, le Canada et l’UE), mais pourrait se voir forcée de les appliquer, notamment par le biais du « Cassis de Dijon ».
Après le refus populaire de la libéralisation du marché de l’électricité en 2002, le service public a connu une décennie de relative quiétude. Certes, des diminutions de prestations ont été imposées, mais les principales tentatives de libéraliser ou de privatiser ont échoué. Population et élus ont, dans leur majorité, bien compris qu’appliquer à la lettre les dogmes ultralibéraux en matière de prestations publiques ne pouvait que mener à une privatisation des bénéfices et à une socialisation des pertes, les contribuables étant systématiquement appelés à la rescousse au moindre problème. Les années 2010 marquent un tournant. D’une part, les mauvaises expériences d’ouverture du service public à l’étranger sont soit trop anciennes (p. ex. chemins de fer britanniques), soit trop récentes (privatisations forcées sous l’égide de la « Troïka » dans les pays gravement endettés) pour que la totalité de la classe politique (re)prenne conscience des dégâts. D’autre part, un véritable tsunami de libéralisations pourrait venir d’accords de libre-échanges aux noms d’autant plus barbares qu’ils nous promettent le chaos : CETA (UE-Canada), TTIP/TAFTA (UE-USA), TISA mettre le nom TISA complet en français . La Suisse n’est pas partie à tous (seulement TISA, négocié à Genève dans le plus grand secret), mais pourrait tout de même être contrainte de les appliquer tout de même. Par ailleurs, M. Schneider-Amman a récemment émis le souhait de rejoindre l’accord TTIP/TAFTA.
Ces accords visent à supprimer toute « barrière à l’importation ». Au nombre de ces « barrières », leurs initiateurs comptent, entre autres, les règles sanitaires ou environnementales (p. ex. interdiction des OGM ou aménagement du territoire), le droit du travail (p. ex. CCT de force obligatoire), les assurances sociales (p. ex. couverture universelle d’assurance-maladie), les règles en matière de production indigène (p. ex. AOC) et le service public (p. ex. monopoles publics de l’école obligatoire ou de la distribution d’eau). Si ces accords aboutissent, ces règles ne pourront plus être opposées à une entreprise qui a légalement mis sur le marché un bien ou un service dans l’un des Etats partie.
Imaginons par exemple une entreprise étatsunienne qui met légalement des OGM sur le marché aux USA. « Grâce » à l’accord TTIP, ce produit devrait obligatoirement être autorisé dans l’UE. Et par l’entreprise du « Cassis de Dijon », il devrait être autorisé… en Suisse. Et si notre pays s’avisait de faire appliquer l’interdiction des OGM décidée par le peuple, l’entreprise en question pourrait le convoquer devant un tribunal arbitral sans voie de recours et siégeant à huis clos qui le condamnerait à des millions de francs de dommages-intérêts pour « barrière à l’importation », en s’appuyant sur une clause dite de « protection des investisseurs ».
Les mésaventures des pays traînés devant de tels tribunaux sur la base d’accords similaires montrent que cette crainte est bien réelle. Par exemple, une multinationale du tabac exige de l’Uruguay qu’il lui verse une indemnité de plusieurs centaines de millions de francs on peut l’exprimer en francs sans prblème à cause d’une loi contre la fumée passive qu’elle considère comme une « barrière à l’importation », même si son objectif est de protéger la santé publique.
Ces accords prévoient également qu’un bien ou service qui n’aurait pas été soumis à une régulation au moment de leur entrée en vigueur, par exemple parce qu’il n’aurait pas encore été inventé à cette date, ne pourrait jamais l’être. Ainsi, si ces accords avaient existé au moment de l’invention de l’énergie nucléaire, toute règle étatique en la matière, même pour protéger la population, aurait été interdite. Ces accords prévoient aussi que les prestations qui auraient été une fois ouvertes au libre marché ne pourraient plus jamais être réassujetties à des règles étatiques, même en cas de fiasco ou de nouveaux besoins de la population.
Indépendamment de leur contenu, ces accords font donc peser une menace sur les droits démocratiques : en les adoptant, tant le Parlement que le peuple renonceraient à légiférer dans les domaines qui ont été laissé une fois au libre marché ou qui n’ont pas (encore) été régulés. Se lier les mains ad aeternam n’est pas compatible avec les principes fondamentaux de l’Etat de droit.
Ces accords violent la souveraineté des Etats et font courir un grave danger au service public et à ces acquis obtenus et défendus de haute lutte que sont la santé publique, la protection de l’environnement et les droits des travailleurs. Nous nous y opposerons avec vigueur.