Ich habe vor kurzem auf Twitter geschrieben, die No-Billag Initiative sei zwar offenbar als „Bieridee“ lanciert worden, aber passe bestens in das neofaschistische Programm der neuen Rechten. Fanden jetzt nicht alle sooo toll. Nun, es mag hart klingen, aber es ist leider genauso.
John Bellamy Foster hat vor kurzem das Buch „The Trump Presidency – Farce and Tragedy“ publiziert. Er ruft darin auf, doch endlich die endlose Beschäftigung mit Trumps tagtäglichen Peinlichkeiten und Fettnäpfchen sein zu lassen und seine Politik dahinter ernst zu nehmen. Er hat absolut Recht. Das Spektakel verhindert eine klare Analyse dessen, was da gerade passiert – in den USA und zunehmend weltweit. Seine Kernthese: Trumps Politik hat die gleiche soziale Basis wie der Faschismus (primär prekäre Mittelschichten und das kapitalkräftige Interessen), bezweckt das gleiche (die Aufrechterhaltung kapitalistischer Interessen in Krisenzeiten, siehe Steuerreform), hat die gleichen Protagonisten wie die faschistische Szene in den USA (Banon etc.) und zunehmend die gleichen Inhalte (Ausbau des repressiven Staates, Charlottesville, Muslim-Ban, etc.). Also sollten wir sie so benennen, wie sie ist: neofaschistisch.
Das Ende von Gesellschaft
In einem Kapitel zu Trumps Medienpolitik nennt er seine Strategie so in etwa „Gleichschaltung unter anderen Vorzeichen“ (ich habe das Buch während der letzten Ausgabe von Frag den Wermuth verschenkt und kann deshalb nicht mehr nachschauen). Die These hat es in sich: Trumps Kreuzzug gegen etablierte Medien wie PBS, CNN oder die New York Times ist im Wesentlichen eine Adaption der Strategie der Gleichschaltung unter den Vorzeichen einer machtteiligen Demokratie. Ist man – im Unterschied zu den 1930er Jahren in Europa – dank einigermassen funktionierender Gewaltenteilung im engeren (Jurisprudenz, Parlament) und weiteren Sinne (inkl. der Existenz von sowas wie Zivilgesellschaft) nicht in der Lage, die staatliche Gewalt und Kontrolle direkt zu übernehmen, zerstört man das, was einen an der Übernahme der Deutungshoheit hindert. Trumps Beispiel zeigt eindrücklich, worum es geht: letztlich um die Vernichtung von demokratischer Öffentlichkeit. Dem Raum also, in dem sich das was die Gemeinschaft, von mir aus die Nation, bildet eben zum Streiten trifft. Der Raum in dem um den Inhalt dessen, was Gesellschaft und Politik ausmacht, um die Regeln des Zusammenleben gestritten wird. Genau diesen Raum, gibt es im Faschismus nicht. Oder hat schon mal jemand eine Fernsehdebatte in Nordkorea mitverfolgt? Ob der Raum durch die Übernahme der staatlichen Kontrolle der Öffentlichkeit oder durch die Aufhebung von Öffentlichkeit verschlossen wird, kann die gleichen Folgen haben. Siehe wiederum Trump. Wenn seine Anhänger zahlreich genug sind und nur Fox-News konsumieren, ist es auch völlig egal, ob irgendwo ein paar andere noch New York Times lesen. Das Resultat ist das gleiche: Das ist keine Öffentlichkeit mehr, oder von mir aus, nur noch eine segregierte, die je in ihren Wahrnehmungsreservaten eingeschlossen ist. Zu Deutsch: Die reden nicht mehr miteinander, sondern aneinander vorbei. Das ist das Ende dessen, was wir Gesellschaft nennen.
Genau das droht bei einem Ja zu No Billag: Die Zerstörung der Orte, die gemeinsame Öffentlichkeit herstellen. Medien, die zumindest weitgehend oder teilweise befreit sind vom Druck der ökonomischen Fokussierung auf eine bestimmte Zielgruppe. Wie die SRG, die regionalen Privatfernsehen oder viele Radios. Genau darum ist aus demokratischer Perspektive eine starke SRG im Vergleich zu den Privaten auch gar kein Nachteil: Sie sichert Kanäle auf denen alle vorkommen wollen und müssen, die sich in die öffentliche Debatte einmischen wollen. Wer mitbestimmen will kann der Kommunikation mit den anderen nicht aus dem Weg gehen. Wie im Sport besteht eben Demokratie auch darin, dass wir uns über den Austragungsort einigen. Wenn jeder im eigenen Stadion spielt, kommt kein Turnier zustande.
Es gibt keine glückseligen Markt-Urzustand
Es ist übrigens, wie oben in der Klammer schon angetönt, kein Zufall, dass ausgerechnet der im Kapitalismus reich geborene und reich gebliebene Trump sich einer Bündnispolitik mit offen faschistischen Bewegungen bedient (viele Faschismustheorien nennen genau dieses Bündnis „Faschismus“). Der Faschismus war letztlich auch in Europa nur erfolgreich dank der Kollaboration mit dem Grosskapital und weil er diese Interessen gerade nicht tangiert, sondern gegen links und unten abgesichert hat (richtig, das steht heute dummerweise nicht mehr in den Geschichtsbüchern).
Der Punkt ist: Die Geschichte des Faschismus und ja, auch des real-existierenden Sozialismus (ohne hier blödsinnig-vereinfachende Totalitarismustheorien heranziehen zu wollen) zeigen, dass es demokratische Öffentlichkeit eben nicht einfach von Natur aus gibt. Es gibt keinen glücklich machenden Markt-Urzustand in den sich Gesellschaft zurückversetzen lässt, wenn man nur den ganzen Karsumpel wegschafft (so genannte Libertäre und faschistische Modernisierer – reden übrigens hier erstaunlich ähnlich, z.B. vom Sumpf austrocknen oder vom Crony Capitalism). Es „gibt“ den „freien Medienmarkt“ nicht, wie es überhaupt ganz grundsätzlich keine Markt einfach gibt. Eine Gesellschaft, die Dinge als Waren handelt, ist nichts, was es schon immer gab. Märkte mussten und müssen immer aktiv hergestellt werden, genauso Märkte der Kommunikation (wenn ihr so wollt). Reisst man die Infrastruktur der Öffentlichkeit ein, kommt nicht das Reich der Freiheit, sondern das Reich jener, die sich diese Infrastruktur auch privat „leisten“ können. Der Gewerbeverband hat netterweise schon mal gezeigt, was das heisst: Offiziell weil ihm die Berichterstattung der Arena zu No-Billag nicht passte (in Wahrheit wohl simpel aus Propagandagründen), macht er kurzerhand selber eine. Wissen Sie, was die Produktion einer Arena kostet? 42’000 Franken. Selbst wenn der Gewerbeverband das zum halben Preis macht, eine ganze Menge Geld. Geld, das sie und ich auch nach einem Ja zu No-Billag dank der 400 Franken weniger Gebühren trotzdem nicht haben werden – die Blochers und Biglers da oben aber schon.
Die repressiven Liberalen
Noch ein letztes. Die Initiatoren und vor allem die Unterstützer der Initiative aus Polit- und Journalistenkreisen werfen gerne mit dem Begriffen „liberal“ um sich, um ihre Haltung zu beschreiben: Keine – vermeintlich – staatliche Medienpolitik meinen sie, schon gar keine Zwangsgebühren. Das ist lustig, wenn man sich anschaut, wer aus der politischen Landschaft so alles die No-Billag-Initiative befürwortet: Blocher, Rickli, Rutz, die BaZ, Bigler. Genau die gleichen also, die, wenn es um die Armee, um Flüchtlinge, Überwachung, Polizei oder Sozialhilfebezüger*innen geht nichts anderes tun, als die Macht der staatlichen Bürokratie immer weiter auszuweiten. Liberale à choic, könnte man sagen. Wobei, genau genommen und anders als so oft behauptet, ist der Ausbau gerade des repressiven Staates durch sog. Liberale kein Widerspruch. Der Kapitalismus, gerade der neoliberale, hat nie den Staat zu Gurkensalat verarbeiten wollen. Im Gegenteil, er ist dramatisch auf ihn angewiesen. Niemand sonst sichert Rendite und Gewinne. Das wäre auch nach einem Ja zu No-Billag so: Die Eigentumsrechte die gesichert werden müssten nachdem die Konzession für den SRG-Ersatz erteilt wäre, kann nur der Staat sichern.
Kurz: No-Billag mag eine Bieridee gewesen sein. Ich will den Initianten nicht einmal mehr unterstellen. Sind sie wohl hauptsächlich naive Ideologen. Aber die Zerstörung demokratischer Infrastruktur ist kein Stammtischwitz. Sondern sie passt wunderbar ins Programm einer neofaschistischen Rechten. Und ja, die inhaltliche und ideologische Nähe vieler von denen die sich als radikale Liberale/Libertäre verstehen mit den Faschisten, ist kein Zufall. Und übrigens auch nicht neu. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag.
P.s. Womit nicht gesagt sein soll, es gäbe keine Probleme bei der SRG. Oder ich fände das Kopfprämienmodell der Billag-Gebühren sinnvoll. Aber dazu nach dem 4.3. 🙂