Kurz notiert: Wenn Ignoranz und Inkompetenz im Freisinn Migrationspolitik machen

ausla%cc%88nderausweis_lDie FDP hat in den Sonntagszeitungen der letzten Woche mal wieder ihre migrationspolitische Inkompetenz in beeindruckender Weise unterstrichen. Hier einige kurze Richtigstellungen zu den gröbsten Falschaussagen von Petra Grössi und Philipp Müller.

Petra Gössi im Sonntagsblick: „Da kommen Leute aus Drittstaaten, sie arbeiten im Tieflohnbereich. Neun Monate arbeiten sie hier, dann werden sie arbeitslos und bleiben auf Staatskosten in der Schweiz.“

Falsch. Die Schweizerische Migrationspolitik ist gegenüber Migrantinnen und Migranten aus so genannten Drittstaaten (also nicht EU oder EFTA) sehr restriktiv. Tatsächlich ist das Gesetz darauf ausgerichtet, nur Hochqualifizierte zum Schweizerischen Arbeitsmarkt zuzulassen (was man aus linker Sicht wiederum sehr wohl kritisieren kann). Das ist ist quasi die Kehrseite der Personenfreizügigkeit mit den EU/EFTA Staaten. Dies gilt auch für Kurzaufenthaltsbewilligungen (das meint Gössi mit den neun Monaten). Bereits heute kann die Kurz- oder Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) entzogen werden, wenn der Inhaber der Bewilligung oder eine Person, für die er/sie sorgt (sic!) auf Sozialhilfe angewiesen ist. Ausnahme von diesen Bestimmungen gibt es logischerweise auf Grund völkerrechtliche Verpflichtungen bei vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlingen (z.B. Non-Refoulement).

Angehörige von Drittstaaten können auch nicht in die Arbeitslosenversicherung „einwandern“. Für einen Anspruch auf ALV-Leistungen müssen sie in den zwei Jahren vor der Arbeitslosigkeit mindestens zwölf Monate gearbeitet haben.

Vergleiche dazu Art. 20 ff., insbesondere Art. 23 Abs. 1 und Art. 62 AuG, sowie betreffend ALV Art. 13 AVIG.


Petra Gössi im Sonntagsblick: „Ihre (i. e. sozialhilfeabgängiger Drittstaatenangehöriger) Aufenthaltsbewilligung darf nicht verlängert werden, der Familiennachzug muss beschränkt werden“ und 
„Wir müssen klar sagen: Wer Sozialhilfe bekommt, muss gehen. Wer keine Arbeit hat, muss gehen.“

Philipp Müller zitiert in der NZZ am Sonntag: „Deshalb verlangt er (Philipp Müller), dass ein Ausländer seine Familie künftig nur noch nachziehen darf, wenn er nicht straffällig ist, keine Sozialleistungen bezieht, für seine Angehörigen Aufkommen kann und über eine genügend grosse Wohnung verfügt.“

Gössis und Müllers Forderungen sind bereits heute geltendes Gesetz. Der Familiennachzug bei Angehörigen von Drittstaaten (inkl. vorläufig Aufgenommene) ist nur möglich, wenn a) die Familie zusammenwohnt b) eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist und c) die Familie nicht auf Sozialhilfe nicht angewiesen ist. Bei vorläufig Aufgenommenen ist der Familiennachzug überdies schon heute erst nach drei Jahren möglich. 

Bundesrat und Nationalrat wollen sogar noch weiter gehen. Die neuste Revision des Ausländergesetzes sieht vor, dass der Familiennachzug bei Angehörigen von Drittstaaten auch beim Bezug von Ergänzungsleistungen nicht mehr möglich ist (nicht, dass ich das gut fände…). Parlament und Volk haben überdies mit dem Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative (geltendes Recht) und der Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative die Ausschaffungsfrage geklärt.

Vergleiche dazu Art. 85 Abs. 7 AuG.

Am 14.9. (morgen) berät der Nationalrat überdies eine weitere Verschärfung des Ausländergesetzes (neu: Ausländer- und Integrationsgesetz). Die Mehrheit der SPK-N will den Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene generell streichen. Das ist billigste politische Stimmungsmache. Eine solche Massnahme verstösst gegen zwingendes Völkerrecht, namentlich die Flüchtlingskonvention (unter den vorläufig Aufgenommenen sind eben auch Flüchtlinge) und wahrscheinlich auch gegen das Recht auf die Familie (vgl. BGE 2C_459/2011 vom 26.4.12 und 2C_639/2012 vom 13.2.13, sowie Art. 8 EMRK und Art. 17 UNO Pakt II). Das heisst, gleich der erste Entscheid der Behörden auf Grundlage dieses Gesetzes würde vom Bundesgericht oder spätestens beim Europäischen Gerichtshof kassiert. Ausserdem handelt es sich um lächerlich tiefe Zahlen. Der Familiennachzug machte bei vorläufig Aufgenommen 2016 (bisher) genau fünf Fälle aus, 60 im 2015, 70 2014, 83 2013 und 37 im 2012. Damit will man anscheinend die Zuwanderung bremsen und die Sozialwerke retten.. Hallelujah!

Kommt dazu, dass die Abschaffung des Familiennachzuges den integrationspolitischen Zielen des Gesetzes zuwiderläuft (ein Schelm, wer Böses denkt). Die heutige Regelung motiviert nämlich – wenn schon – vorläufig Aufgenommene dazu, eine Arbeit zu suchen und sich rasch zu integrieren. Streicht man den Familiennachzug, fällt dieser Anreiz weg. Jede Integrationsstudie weist diesen positiven Zusammenhang nach. 

Fazit: Hier wird einmal mehr Politik gemacht in dem man das Gespenst des Ausländers als „Sozialhilfeschmarotze“ gegen jede Realität vorantreiben will. Schade, dass es mit den Freisinn soweit gekommen ist…

P.s.
Hier den Aufruf gegen die Abschaffung des Familiennachzugs unterschreiben!

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