Richtig wäre, ihnen die Beute wieder wegzunehmen

Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit muss sie alle paar Jahre wieder als Sündenbock für alles mögliche herhalten. Schuld an allem Übel sind, wenn man den rechten Scharfmachern glauben will, der Türke Ali und der Deutsche Klaus. Weil sie in unser Land kommen, steigen die Mieten, stagnieren Löhne und explodieren Gebühren und Abgaben. Damit lässt sich prima Stimmung von rechts machen. Nur: Bereits diese drei Beispiele zeigen, die Debatte ist völlig absurd.

Die Mieten steigen in der Schweiz seit Jahren. 2002 bis 2006 war die Zuwanderung rückläufig. Und der Mietpreisindex ist trotzdem um satte 14% gestiegen. Natürlich erhöht eine wachsende Bevölkerung bei gleichzeitig nur wenigen Neubauten den Druck. Das Problem ist aber ein anderes. Eine Studie des Mieterverbandes kommt zum Schluss, dass die VermieterInnen in der Schweiz jedes Jahr 3 Milliarden mehr Mieten kassieren, als gesetzlich erlaubt wären. Seit 1985 hat dadurch eine Umverteilung von MieterInnen zu VermieterInnen von 50 Milliarden Franken (sic!) stattgefunden. Oder anders formuliert: Jeder Mieter und jede Mieterin bezahlt pro Monat 124 Franken zu viel. Oder nochmals anders: Einige wenige zocken die Mehrheit systematisch ab.

Bei den Löhnen das gleiche. Sage und schreibe ¾ aller ArbeitnehmerInnen liegen mit ihrem Lohnwachstum deutlich hinter der Wirtschaftsentwicklung zurück. Und gleichzeitig wird die Abzockerei in den Chefetagen langsam aber sicher zum Regelfall in Schweizer Grossunternehmen: Daniel Vasella hat letztes Jahr Brady Dougan als König der Abzocker abgelöst. Brady Dougan verdiente 1800 Mal mehr als der schlechtbezahlteste Mitarbeiter bei der Credit Suisse, Daniela Vasella bringt es in seiner Novartis inzwischen auf ein Verhältnis von 2146:1. Das oberste 1% der TopverdienerInnen kassiert ganze 10% der gesamten Lohnsumme – das entspricht einer Zunahme von über 60% seit 1997. Kurz: Einige wenige zocken die Mehrheit systematisch ab.

Die Last der indirekten Steuern und Gebühren nimmt zu. Seit 1997 sind die indirekten Steuern um 42% gestiegen, die Gebühren um 34%, die Krankenkassenprämien sogar um 64%. Das sind die Folgen des Steuerwettbewerbs. Weil die Steuern für Supperreiche und Unternehmen jedes Jahr wieder gesenkt werden, sind halt wieder mal wir die dummen und dürfen die Staatsaufgaben indirekt bezahlen. Der eben erschiene Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes zeigt, wie sich das auswirkt. Im gleichen Zeitraum sind die tiefen Jahreslöhne im Schnitt um ca. 4000 Franken gewachsen. Zieht man alle indirekten Steuern und Gebühren ab, bleiben unter dem Strich 400 Franken mehr, also nur 10% realer Lohnzuwachs. Die Toplöhne sind durchschnittlich um 14’900 Franken gestiegen. Davon bleiben unter dem Strich – Achtung! – 14’800 Franken. Der Steuerwettbewerb führt dazu, dass denen die bereits viel haben, noch mehr gegeben wird. Kurz: Einige wenige zocken die Mehrheit systematisch ab.

Das perverse an der Geschichte: Die gleichen Politikerinnen und Politiker, die ihre Hauptaufgabe in Bern tagein und tagaus darin sehen, griffige Mietrechte, anständige Löhne und eine gerechte Verteilung der Steuerlast zu verhindern und so der Mehrheit immer mehr Geld aus dem Sack ziehen, versuchen uns zu verkaufen, nicht sie in Bern – die alle Macht hätten, etwas zu ändern, wenn sie denn wollten – seien Schuld, sondern der Ali und der Klaus. Das ist schlicht Blödsinn.

Richtig ist, dass eine Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz zwar immer mehr arbeitet, davon aber immer weniger sieht. Richtig ist, dass wir Jahr um Jahr nach Strich und Faden abgezockt werden. Richtig ist, ohne die Personenfreizügigkeit wäre ein Wirtschaftswachstum heute nicht mehr möglich. Richtig ist, einige wenige Superreiche führen einen regelrechten Raubzug quer durch die Schweiz und bereichern sich an diesem Wachstum schamlos auf Kosten von uns allen. Richtig wäre, ihnen die Beute wieder wegzunehmen . Richtig ist darum, am 23. Oktober die Mitte-Rechts-Mehrheit abzuwählen.

Dieser Artikel ist am 6.5.2011 in der Mittelland Zeitung erschienen.

Zum Weiterlesen: www.verteilungsbericht.ch

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