Das neue Jahr ist erst ein paar Tage alt. Eines aber können wir bereits feststellen: 2011 beginnt ähnlich, wie 2010 zu Ende ging. Zum Beispiel mit Bundesrat Ueli Maurer: Treffsicher wie eh und je tritt er gleich zu Jahresbeginn vom letzten Fettnäpfchen ins neue. Diesmal hat es ihn bei einem heiklen Thema erwischt, bei Frauen und Waffen.
Frauen würden die Waffe eben nicht so gut kennen wie die Männer. Darum seien sie wohl auch eher für die Waffenschutzinitiative, welche die Dienstwaffen endlich aus den Privathaushalten verbannen will. Einerseits vergisst Maurer dabei, dass Frauen in der Schweiz sehr wohl Erfahrungen mit Dienstwaffen machen – tatsächlich aber oft wenig erfreuliche. Jede fünfte Frau in der Schweiz wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von häuslicher Gewalt. Schusswaffen sind Teil dieser Bedrohung: 300 Menschen sterben bei uns jedes Jahr durch Schusswaffen.
Männer spielen Fussball, Frauen werden Krankenschwester
Maurers Aussage ist aber nicht nur schockierend, weil er das anscheinend auf die leichte Schulter nimmt. Sie ist auch ein Ausdruck für einen allgemeinen Trend. Ein Trend zurück zu einem längst tot geglaubten, ewiggestrigen Frauen- und Rollenbild. Ein Rollenbild, bei dem beiden Geschlechtern bestimmte Eigenschaften fix zugeschrieben werden. Männer spielen Fussball, studieren Wirtschaft, stehen auf Autos und mögen eben Waffen. Frauen spielen mit Barbies, benutzen Nagellack und werden Mutter, Verkäuferin oder Krankenschwester. Begründet wird das dann meistens ziemlich gefährlich: Es gäbe halt einfach biologische Veranlagungen, die Männer und Frauen trennen. Da könne man nichts machen. Auch Antifeminist und Ex-SVPler René Kuhn (IG-Antifeminismus) bläst ins gleiche Horn.
Frauenfeindlichkeit ist bei der politischen Rechten wieder salonfähig. Ihre Argumentation ist allerdings brandgefährlich: Im Kern spricht sie dem einzelnen Menschen nichts weniger ab als seinen freien Willen. Die Biologie hat uns fixe Rollen zugeteilt, ob wir wollen oder nicht. Die unterschwellige Verachtung für das, was Frauen sind und leisten ist praktisch mit den Händen greifbar. Vor allem, wenn es um Arbeit und Karriere geht. „Klar“, erklären uns diese Herren der Schöpfung dann jeweils, „auch unsere Ehefrauen sind zu Hause, während wir im Büro arbeiten. Aber bitte, bei dem bisschen Haushalt kann ja wohl keiner von Arbeit oder Leistung sprechen.“
Care-Arbeit: Wer kann da ohne wen leben?
Diese Trennung von wertvoller und wertloser Arbeit ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Wenn wir von Arbeit sprechen, meinen wir meistens die bezahlte Lohnarbeit. Das ist die Form von Arbeit, die unserem aktuellen Wirtschaftssystem entspricht. Sie schafft direkten ökonomischen Wert (und zerstört ihn dann auch gleich wieder in Form von z.B. Finanzkrisen – aber das ist ein anderes Thema). Völlig ausgeblendet wird dabei, dass unsere Arbeitsgesellschaft ohne eine andere Form von – meist unbezahlter – Arbeit gar nicht möglich wäre. Es handelt sich dabei um die so genannte Care-Arbeit (to care: jemanden betreuen). Damit ist die Arbeit gemeint, die vor allem Frauen verrichten: Kinderbetreuung, Alten- und Krankenpflege, Haushaltsarbeit. Die Ökonomin Mascha Madörin hat errechnet, dass 53% des gesamten Arbeitsvolumens in der Schweiz unbezahlt geleistet wird (Zahlen für das Jahr 2000). Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit leisten Frauen. Der Grossteil davon ist Care-Arbeit. Da es dafür keinen Lohn gibt, hat sie auf dem Arbeitsmarkt keinen Wert und ist auch nicht versichert. Sie hält viele Frauen nach wie vor in der Abhängigkeit vom „männlichen Alleinernährer“ fest. Ohne diese Arbeit wäre aber keine Berufskarriere von den Maurers oder von „Topshots“ wie den Vasellas oder Grübels möglich. Angesichts der Tatsache, dass aber die meisten Frauen umgekehrt problemlos auch ohne die Dienstwaffe und sogar ohne die Abzocker in den Grossbanken leben könnten, wäre vielleicht etwas mehr Zurückhaltung angebracht. Politisch braucht es andere Antworten. 1974 forderten FeministInnen in einer grossen Kampagne „Lohn für Hausarbeit!“ – ein ähnliche Idee hat die SP mit dem garantierten Grundeinkommen für alle in ihrem neuen Programm vorgeschlagen. Beide Ideen haben noch ihre Haken, aber sie verdienen gerade aus Sicht einer modernen Gleichstellungspolitik wieder eine echte Diskussion.
Dieser Artikel ist am 6.1.2011 als Kolumne in der MittellandZeitung erschienen.