Vermögensungleichheit in der Schweiz – die Zahlen

977b35b75bSpätestens seit der 1:12-Initiative wissen wir, dass eine der bürgerlichen Taktiken gegen progressive Initiativen darin besteht, möglichst viel Verwirrung um die Zahlen- und Datengrundlagen zu schaffen. Deshalb dachte, ich trage gleich zu Beginn der Debatte über die Erbschaftssteuer die wichtigsten Studien zur Vermögens(un)gleichheit in der Schweiz (und ein paar Hinweise zu Erbschaften) zusammen. Sie kommen im wesentliche alle zum selben Schluss: Die Vermögen sind in der Schweiz krass ungleich verteilt und die Ungleichverteilung nimmt sogar noch zu. Die nachfolgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Hinweise sind sehr erwünscht!

Credit Suisse Global Wealth Report, 2014 und verschiedene Jahrgänge

Die Credit Suisse schätzt das durchschnittliche Netto-Vermögen eines Schweizer Erwachsenen auf 581’000 US-Dollar – das ist Weltrekord. Zum Vergleich: Das weltweit durchschnittliche Netto-Vermögen liegt bei 56’000 USD (S. 4 und 10f in der Ausgabe 2014). Das Medianvermögen (also die Zahl, bei der genau 50% der Werte darunter und 50% der Werte darüber liegen) in der Schweiz weicht deutlich vom Durchschnitt ab (107’000 USD), was auf eine stark ausgeprägte Ungleichheit hinweist (S. 52). Rund 2% aller Millionäre weltweit leben in der Schweiz (S. 25). Erstaunlich ist, dass die CS-Studie weltweit eine langfristige Abnahme der Vermögenskonzentration bei den Top 1% feststellt – mit Ausnahme der Schweiz: „Over the whole period 1914-2010, the top percentile share fell in all countries except Switzerland“ (S. 30). Die vermögendsten 10% besitzen gemäss dieser Rechnung knapp 72% aller Vermögen. In der Kategorisierung der CS figurieren nur drei entwickelte Wirtschaften in der Gruppe „Very high inequality“, nämlich die Schweiz, die USA und Hong Kong (Databook 2014, S. 124).

Wohlstandsbericht des Bundesrates, 2014

Auf einen Vorstoss von Nationalrätin Jacqueline Fehr erarbeitete der Bundesrat den ersten so genannten Wohlstandsbericht. Diese Bericht enthält zwar eine Reihe spannender Analysen, verwendet aber problematische Datengrundlagen. Er stützt sich vor allem auf die Haushaltsbudgeterhebung HABE und auf Steuerdaten. Beide Methoden unterschätzen tendenziell vor allem sehr hohe Vermögen (so erfasst die HABE zum Beispiel nur 0.3% der Haushalte. Mangels anderer Daten stützen sich aber auch weitere Studien auf diese Daten). Der Bericht kommt zum Schluss, dass mindestens 1/4 aller Schweizer_innen über gar kein steuerbares Vermögen verfügt (S. 67). Die obersten 5% der Steuernden besitzt gemäss diesen Daten 62% aller steuerbaren Vermögen, die obersten 2% besitzen 48%, das oberste 1% kontrolliert immer noch 40% aller Vermögen. Auf Grundlage dieser Daten errechnet der Bund eine im internationalen Vergleich sehr hohe Vermögensungleichheit (Gini-Koeffizient von 0.851, S. 68). Eine gute Übersicht über die Vermögensdaten auf Grundlage der Steuerstatistiken bietet das Bundesamt für Statistik auf seiner Webseite.

Julius Bär Wealth Report Europe, 2014

Die Studie der Privatbank Julius Bär stellt für 2013 ein Allzeithoch der europäischen Vermögen fest. Gesamthaft verfügt Europa über geschätzte 56 Billionen Euro. In der Schweiz sind davon beachtliche 2.7 Billionen Euro oder fast 5% konzentriert. 13% aller Millionärshaushalte hat ihren Wohnsitz in der Schweiz; das sind 555’483 Millionärshaushalte (S.9). Die Vermögen in der Schweiz sind seit der Krise 2007 geradezu explodiert: Julias Bär schätzt in diesem Zeitraum eine Zunahme von mindestens 68% oder 1.1 Billionen Euro (S.68). Hier zeigt sich auch, dass die Vermögenskonzentration in europäischen Schnitt deutlich tiefer liegt als in der Schweiz: Die Top 10% kontrollieren in Europa „nur“ 54% des Vermögens, das Top 1% kontrolliert 33% (S.8). Spannend ist auch die Analyse, wie die Reichen in Europa zu ihrem Geld kommen. Erbschaften spielen dazu – übrigens insbesondere für Frauen – eine zunehmende Rolle: „Durch die Senkung der Erbschaftssteuersätze hat die Vererbung in Europa eindeutig an Bedeutung gewonnen. Das Gleiche gilt jedoch auch für die Auswirkungen des wachsenden Wohlstands. Der Grund liegt auf der Hand. Immer, wenn die Kapitalverzinsung dauerhaft über der Wirtschaftswachstumsrate liegt (wie in den letzten Jahrzehnten), dann ist es nahezu unausweichlich, dass in der Vergangenheit angehäufte Vermögen irgendwann die Rolle privater Ersparnisse aus der Gegenwart in den Schatten stellen. Durch diesen Mechanismus entsteht eine zunehmende Konzentration des Vermögens, wodurch in der Gesellschaft wiederum das Vererben wichtiger wird.“ Nur in Österreich, Zypern und Schweden sind die Erbschaftssteuersätze tiefer als in der Schweiz – diese Länder weisen jedoch deutlich höhere Steuersätze für Einkommen und Vermögen auf (S.16-19).

Wealth-X and UBS Billionaire Census, 2014

Die Studie schätzt die weltweite Zahl der Dollar-Milliardäre auf 2325 Personen. Diese Minigruppe kontrolliert 4% des globalen Vermögens. Noch nie wurde eine höhere Zahl an Milliardären registriert. Wenig überraschend sind 87.7% der Milliardäre Männer (2039 Personen). Im Vergleich der absoluten Zahlen liegt der Kleinstaat Schweiz auf dem beachtlichen 7. Platz (S. 36). Die Millionärsdichte ist allerdings in der Schweiz – mit Ausnahme der Kleinststaaten Liechtenstein, Luxemburg, Hong Kong und Bermudas – weltweit am höchsten. Auf 1 Million Einwohner_innen kommen in der Schweiz 10.7 Milliardäre, wovon 55.8% im Ausland geboren sind (S. 38f). Gemäss diesem Bericht gibt es zudem 6635 Multimillionäre in der Schweiz. Nirgendwo sonst auf der Welt haben so viele Multitmillionäre ihr Vermögen geerbet wie in der Schweiz und Deutschland (28%).

United Nations University: Estimating the Level and Distribution of Global Household Wealth, 2007

Eine Studie der UNO-Universität kommt zum Schluss, dass von 229 analysierten Ländern nur zwei eine höhere Vermögensungleichheit aufweisen als die Schweiz, nämlich Simbabwe und Namibia (S. 45f).

Reichtum in der Schweiz: Ueli Mäder, verschiedene Publikationen

Der Basler Professor Ueli Mäder hat in verschiedenen Publikationen Zahlen zur Vermögensungleichheit in der Schweiz erhoben (eine Online-Quelle findet sich hier). Sein bekanntestes Werk ist sicher „Wie Reiche denken und lenken„. Er geht davon aus, dass von den 300 reichsten Schweizer_innen 50% ihr Vermögen alleine durch Erbschaft gemacht hätten. Seinen Schätzungen zu Folge erhalten ungefähr 10% der Erben 75% des Volumens. Über 50% der vererbten 40 Milliarden Schweizer Franken (2010) gehen an Multimillionär_innen.

Bilanz Liste der 300 Reichsten, 2014

Die Wirtschaftszeitung Bilanz publiziert seit 26 Jahren jedes Jahr die Liste der 300 reichsten Schweizer_innen. Dabei versucht die Zeitschrift die effektiven Vermögenswerte zu erfassen. Die Ergebnisse sind schwindelerregend. Besassen die 300 reichsten 2006 noch ein Reinvermögen von 455 Milliarden Schweizer Franken sind es heute bereits 589 Milliarden – ein Plus von 30% innert 8 Jahren! Damit man sich etwas darunter vorstellen kann: Das ist ziemlich genau der Betrag den man benötigen würde um in jeder der ca. 2350 Schweizer Gemeinden ein Fussballstadion in der Grössenordnung des St. Jakobs-Park in Basel zu bauen.

Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, verschiedene Jahrgänge

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund erstellt seit einigen Jahren einen eigenen Verteilungsbericht. Der Bericht für das Jahr 2012 ist in einer sehr übersichtlichen Webseite zusammengefasst. Dabei kommt der SGB zum Schluss, dass das vermögendste 0.1% der Steuerpflichtigen (4800 Personen) im Jahr 2008 durchschnittlich jeden Tag 6888 Franken an Einkommen aus Vermögen beziehen konnte. Der SGB-Chefökonom Daniel Lampart hat in seinem Blog die aktuellsten Zahlen (2011) aus den Steuerstatistiken betrachtet (gleiche Datenbasis wie der Bund). Gemäss diesen Statistiken besitzt das reichste Prozent aller Steuerpflichtigen 40% der Reinvermögen, die „untersten“ 90% besitzen nur 26% der Vermögen. Die 9% dazwischen kontrollieren 34%; insgesamt besitzen die obersten 10% also 74% des gesamten Vermögens. Die Zahlen zeigen, dass die Vermögenskonzentration in der Schweiz seit Mitte der 2000 Jahre wieder auf einem Allzeitrekordwert angekommen ist (Niveau von 1913). Die Delle nach der Krise 2008 ist fast wieder korrigiert (gute Grafik im Blogbeitrag!).

Erben in der Schweiz – Forschungsprojekt NRP 52

Der Nationalfonds kommt in seinem ausgedehnten Forschungsprojekt zum Schluss, dass in der Schweiz mehr Vermögen geerbt als aufgebaut wird. Schon im Jahr 2000 machte die vererbte Summe (damals 28.5 Milliarden Franken) 131% der Bruttoersparnisse der privaten Haushalte aus. Mindestens 1/3 der Bevölkerung erbt gar nichts. 50% der Erben teilen sich knapp 2% der gesamten Erbschaften, die nächsten 40% erhalten einen Viertel, die obersten 10% beanspruchen die übrigen 75% für sich (S. 2). Deutlich auch hier der Unterschied bei den Geschlechtern: Männer erben 20% mehr als Frauen (S. 3).

 

Zum Weiterlesen: Einige Zahlen zur Einkommensungleichheit habe ich z.B. für einen Artikel im Schweizer Monat zusammengefasst.

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