Vor ziemlich genau zwei Monaten wurde das Endspiel der ersten Fussball-WM auf afrikanischem Boden abgepfiffen. Die WM in Südafrika war aus der Sicht der FIFA ein voller Erfolg. In Südafrika ist die WM im Vorfeld mit unglaublich vielen Erwartungen verbunden worden. Angestachelt durch die immense Propaganda der FIFA und der südafrikanischen Regierung träumten die Menschen von neuen Jobs, einem Wirtschaftsaufschwung und ganz generell davon, endlich mal eine richtige Chance zu haben. 20 Millionen Menschen in Südafrika leben in Armut, für sie schien die WM wie eine Verheissung. Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk SAH hat jetzt eine Studie zu den sozialen und ökonomischen Folgen der WM erstellen lassen. Eine erste Fassung liegt nun vor – das Ergebnis ist niederschlagend.
Falsche Zahlen, falsche Hoffnungen
Die Kosten für den südafrikanischen Staat fielen schliesslich um 1709% höher aus als geplant. Statt den geplanten 321 Millionen Franken kostete die WM 5.5 Milliarden Franken. Anstatt einem erwarteten Gewinn von 700 Millionen Franken resultierte für Südafrika ein Verlust von mindestens 2.8 Milliarden Franken. Die FIFA aber nahm zusammen mit ihren Partnern über 3 Milliarden Franken ein und hat ihren Gewinn gegenüber der WM 2006 in Deutschland um 50% gesteigert. Auf Druck der Herren aus Zürich musste die südafrikanische Regierung die Gewinne der FIFA und ihrer Partner von den Steuern befreien. Ein Sprecher der südafrikanischen Steuerbehörde meint dazu wörtlich: „Die Privilegien und Konzessionen, welcher wir der FIFA zugestehen mussten, waren schlicht zu hoch und zu erdrückend, als dass für uns ein monetärer Nutzen hätte entstehen können.“
Die WM führte auch nicht wie oft beschworen zu einem dauerhaften Jobwunder – im Gegenteil. Bis Ende Juli 2010 sank die Beschäftigung gegenüber den Vorjahr um 4.9%. Im Bausektor gingen sogar 111’000 Jobs verloren. Für die fünf grössten Bauunternehmen in Südafrika war die WM ein Riesengeschäft: Sie konnten ihren Gewinn von 110 Mio. (2004) auf 1.4 Mia. (2009) steigern. Die Löhne der CEOs dieser Firmen stiegen in dieser Zeit im Schnitt um 200%. Die Lohnschere vergrösserte sich von 1:166 auf 1:285. Die Bauerarbeiter hingegen mussten mit 26 Streiks dafür sorgen, dass ihnen wenigstens die Teuerung ausgeglichen wurde.
20’000 Menschen wurden umgesiedelt
Von den zehn gebauten oder erweiterten Stadien sind mindestens drei sogenannte „white elephants“. Das heisst, diese Stadien sind viel zu gross, als dass sie nach der WM jemals kostendeckend werden betrieben werden können. Entgegen den Einwänden des südafrikanischen Fussballverbandes wurden sie auf Druck der FIFA aber trotzdem gebaut. Für solche und andere Infrastrukturbauten mussten gemäss Schätzungen der UNO übrigens gegen 20’000 Menschen aus ihren Unterkünften vertrieben werden.
Die Mehrheit der Bevölkerung in Südafrika lebt weiter in unwürdigen Verhältnissen: 7.5 Millionen Menschen sind ohne Arbeit (40%), es fehlen Unterkünfte für mindestens 12 Mio, 8.4 Mio. leben in Slums. Die 5.5 Milliarden Franken hätte das Land dringend für andere Projekte gebraucht. Stossend an der Sache ist nicht, dass die WM in Südafrika veranstaltet worden ist. Stossend ist, dass die FIFA zwar den Slogan „For the game, for the world“ trägt, aber offensichtlich nur am eigenen Profit interessiert ist. Sie hätte es in der Hand, mehr für die Menschen zu tun. Stattdessen bedient sie sich falscher Versprechungen und Erpressungen.
The show must go on…
Bei der FIFA scheint man sich keines Unrechts bewusst. Bereits hat sie verlauten lassen, dass sie für die Austragung der WM 2018 eine totale Befreiung von allen direkten und indirekten Steuern fordert. Sie argumentiert, sie zahle ja bereits in der Schweiz Steuern. Das stimmt nicht ganz: Die FIFA wird in der Schweiz nämlich trotz dreistelligem Millionengewinn als „gemeinnützige Organisation“ eingestuft und ist von den direkten Bundessteuern befreit. Das Parlament hat es erst im Juni dieses Jahres abgelehnt, das zu ändern.
Es gibt noch eine zweite Organisation die weltweit Geschäfte macht, mit Erpressungen und falschen Versprechen arbeitet und auch keine Steuern zahlt. Die hat ihren Sitz allerdings in Sizilien und Neapel.
Dieser Artikel ist als Kolumne in der MittellandZeitung vom 14. September 2010 erschienen.