„Ich würde ja gerne etwas gegen die Klimaerwärmung tun, aber ich bin halt nur ein Plakat“ lautet der Slogan einer bekannten Kampagne des WWF. Angepasst auf die laufende Session der eidgenössischen Räte, würde „Ich würde ja gerne etwas gegen die Abzockerei tun, aber ich bin leider schon von der UBS gekauft“ besser passen. Aber alles der Reihe nach.
Dass die Grossbanken die bürgerlichen Parteien jährlich mit bis zu 500’000 Franken „unterstützen“ ist nichts neues. Aber noch nie hat eine Partei die folgende Abhängigkeit so deutlich demonstriert wie die CVP-Ständeräte in dieser Session. Ein Antrag der WAK-Kommission des Ständerates wollte die Löhne bei der staatlich unterstützten UBS mit einer Obergrenze versehen. Abgesehen von ein paar Marktradikalen war man sich von links bis rechts einig, dass diese Forderung völlig unbestritten ist. In einer Umfrage des „Sonntag“ schien der Antrag dann auch mehrheitsfähig. Es kam anders. Und wie. In einer Haurückübung empfahl ein SVP-Ständerat die Motion aus fadenscheinigen Gründen zur Rückweisung. Mit Erfolg: CVP- und FDP-Ständeräte kippten gleich reihenweise und stimmten gegen den Lohndeckel. Ein paar Tage später platzte die Bombe: Zwischen der Ankündigung der CVP-Ständeräte und der Abstimmung in der kleinen Kammer flossen 150’000 Franken von der UBS zur CVP – oder wurden zumindest versprochen. Und plötzlich steht mehr auf dem Spiel, als sich überhaupt jemand hätte vorstellen können: Nicht mehr und nicht weniger als die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie.
Unser politisches System lebt von den Parteien. Sie organisieren Wahlkämpfe, Referenden und Initiativen. Da es in der Schweiz keine staatliche Parteienfinanzierung gibt, sind sie auf private Spenden angewiesen. Daran ist an sich nichts auszusetzen. Schwierig wird es allerdings, wenn grössere Firmen an Parteien spenden. Warum? Bürgerinnen und Bürger spenden ihrer Partei, weil sie an eine Sache glauben, weil sie sich von dieser Partei vertreten fühlen. Ihr legitimes Interesse ist, dass die Partei über die nötigen Mittel verfügt, ihren Wählerauftrag zu erfüllen. Bei Firmen verhält sich das anders. Eine Firma ist keine Bürgerin und keine Wählerin. Ihr Interesse besteht nicht in einem Wählerinteresse, sondern in einem wirtschaftlichen. So tief wie die UBS greifen Firmen nur in die Kasse, wenn sie eine Gegenleistung erwarten. Wer über einen Rest gesunden Menschenverstand verfügt, wird das nicht abstreiten können. Das Interesse der grossen Firmen liegt ausserdem darin, möglichst viele Bereiche der Wirtschaft ohne politische Kontrolle zu belassen – genau das ist bei den Banken seit Jahren geschehen. Ihr Interesse liegt darin, dass sich die Demokratie und das Volk möglichst aus der Wirtschaft raushält. Der Wählerauftrag einer jeden Partei ist jedoch genau umgekehrt, gerade in der Krise: Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass sich die Politik einmischt und die Volksinteressen vertritt. Das führt unweigerlich zu massiven Konflikten. Dass sich die bürgerlichen Parteien in diesem Zwiespalt im Zweifelsfall auf die Seite ihrer Geldgeber anstatt ihrer Wähler stellen, ist für mich als Staatsbürger empörend.
Es geht nicht nur um die CVP und die UBS, bei weitem nicht. Die Freisinnigen haben gerade eben einen Parlamentarier auf Druck der Versicherungslobby aus einer Kommission abgezogen – sein Verbrechen war, dass er sich für eine Stärkung der SUVA einsetzen wollte. Mehrmals haben die Bürgerlichen zum Beispiel bei der Frage der Parallelimporte von Medikamenten ihre Position geändert. Dies ging sogar soweit, dass Darbellay selber seine Zustimmung zu Parallelimporten nach einem „Besuch“ der Pharmalobby wieder zurück nahm. Bei allem gebührenden Respekt, aber wenn die Luft schon fast nach Korruption stinkt, dann kann es nicht falsch sei, die Dinge beim Namen zu nennen. Warum denn bitte machen die bürgerlichen Parteien in diesen Tagen ein solches Riesentheater um diese Spenden? Hätten sie nichts zu verstecken, könnten sie – wie es die SP tut – ihre Spendenstruktur schlicht offen legen. Sie könnten den verschiedenen Vorstössen für mehr Transparenz im Parlament ganz einfach zuzustimmen und niemand bräuchte sich aufzuregen. Alle wüssten, wer von wem Geld erhält. Dann wäre die Sache zumindest klar. Es wirkt mindestens befremdend, wenn Christoph Darbellay meine Forderung nach Transparenz der Spenden in einem Interview mit dem Internetportal einer grossen Zürcher Tageszeitung als „stalinistisch“ verurteilt. Wo bitte sind wir in diesem Land hingekommen, wenn die Präsidenten von ehemals stolzen Volksparteien die Forderung nach Transparenz, dem vielleicht wichtigsten Grundpfeiler unserer Demokratie, als „stalinistisch“ bezeichnen?
„Heuchler!“, heisst es dann, „ihr kriegt ja auch Spenden!“. Richtig, die SP wird von 90’000 SpenderInnen unterstützt. Darunter befindet sich keine Gewerkschaft oder Firma ausser der Mobiliar-Versicherung – und diese spendet den gleichen Betrag an alle Bundesratsparteien. Ja, auch wir haben Abhängigkeiten, wir sind abhängig von den Menschen in diesem Land und ihnen damit verpflichtet. Damit habe ich allerdings nicht das geringste Problem.
Erschienen am 7.6.2009 in der Mitelland Zeitung.