
Wie überall in Europa streitet auch die Schweiz seit Jahrzehnten über die vermeintlich „uferlosen“ Kosten des Asylwesens. Ganze abgesehen von historischen Gründen für Flucht und Elend, gibt es immer auch ganz handfeste, ökonomische Gründe, die die Maschinerie der Flucht aufrecht erhalten. Das berühmteste Beispiel sind sicher die Schlepperbanden.
Das „Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten“ hat jetzt in seiner Zeitschrift „inamo“ einen ursprünglich in der E-Zeitschrift „Jadaliyya“ (Lesetipp) publizierten Artikel von Diana Bashur übersetzt (hier gibt’s das Original auf Englisch inklusive Grafiken). Sie stellt unter dem Titel „Die Waffenindustrie tötet und schafft Flüchtlinge“ eine (sicher von viel Komplexität abstrahierende, aber dennoch) spannende Überlegung und Berechnung an: „Zwischen 2011 und 2014 hat die Schweiz, die sich als Vorboten des Friedens rühmt, 1,5-mal mehr aus Waffenverkäufen in die Nahostregion verdient, als sie für die Aufnahme von 13.000 syrischen Flüchtlingen ausgab. Ähnlich verhielt es sich in Belgien, dessen Einkünfte aus Waffenverkäufen sich nach denen Saudi-Arabiens und der VAE auf 1,18 Mrd. Euro beliefen, denen 0,71 Mrd. für die Aufnahme von 16.000 syrischen Flüchtlingen gegenüber standen. Bei anderen Waffen produzierenden Ländern ist dieses Verhältnis erstaunlich ungünstiger, wie unten gezeigt werden soll.“ Waffenexporte sind so betrachtet nicht nur mitverantwortlich für Flucht, sondern Bürgerkrieg, Flucht und Elend wird quasi zu einem Geschäftsmodell für Länder wie die Schweiz.
Quelle: Jadaliyya
Gestern Abend hat die Rundschau eine beeindruckende Recherche zu Schweizer Goldimporten aus Eritrea publiziert. So hat die Schweiz zwischen 2011 und 2013 für rund 400 Millionen Franken 22 Tonnen Gold aus der Diktatur importiert. [1] Das ist besonders spannend, weil eritreeische Flüchtlinge das Lieblingsopfer der nationalistischen Rechte und der konservativen Freisinnigen sind (Stichworte Andreas Glarner und Philipp Müller). Man kann auch hier eine (ja, stark vereinfachende) Überschlagsrechnung anstellen:
Die 22’000 Tonnen zu 400 Millionen (Einfuhrwert Rohgold) entsprechen einem Wert pro Kilo von 18’200 Franken. Der Verkaufspreis von fertigen Goldbarren schwankte 2013 zwischen 34’000 und 50’000 Franken. Rechnen wir mit einem geschätzten Durschnitt von 42’000 Franken, dann ergibt sich ein theoretischer Bruttoerlös von 924 Millionen Franken, also 308 Millionen Franken pro Jahr. Natürlich fallen dazwischen noch eine ganze Reihe von Kosten raus, die ins Ausland abfliessen, aber dennoch beträgt der Bruttoerlös 231 Prozent des Einkaufspreises. Nicht schlecht. Im gleichen Zeitraum wurden in der Schweiz etwas mehr als 10’000 Asylgesuche von Eritreer*innen gestellt, im statistischen Schnitt 3442 pro Jahr. Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus Eritrea liegt bei ca. 40%, viele erhalten allerdings eine so genannte Vorläufige Aufnahme, weil die Rückschaffung nicht zumutbar ist. Sie bleiben also in Schweiz. Für diese Menschen richtet der Bund eine monatliche Pauschale von rund 1500 an die Kantone aus, sofern sie sich finanziell nicht selber versorgen könen (an sich sind es sogar nur 1420 Franken im Schnitt). Wenn – und diese Zahl ist deutlich zu hoch – wir damit rechnen, dass 100% dieser Menschen hier bleiben und sozialhilfeberechtigt wären, entstehen so Kosten von 62 Millionen Franken pro Jahr. Dazu kommt die Integrationspauschale von 6000 Franken pro Person, die der Bund einmalig ausschüttet, also 21 Millionen pro Jahr. Das ergibt Gesamtkosten von 83 Millionen Franken jährlich (mal abgesehen davon, dass ein Grossteil diese Geld für die Dienstleistungen von Privaten und Löhnen ja in die Volkswirtschaft fliesst und nicht versickert). Selbst wenn wir noch generelle Verwaltungskosten für die Gesuchsbearbeitung von mir aus in der Höhe von insgesamt einigen Millionen einrechnen, die Bilanz bleibt noch lange, lange dieselbe (selbst wenn meine Zahlen zu Gold mehr als grob sind).
Brutal formuliert: Die Aufrechterhaltung des eritreeischen Regimes mit seiner Zwangsarbeit, fehlenden Gewerkschaften und tiefem Lebensstandard (und entsprechend tiefen Produktionskosten) lohnt sich für die Schweiz finanziell schon nur dann, wenn man die Goldimporte anschaut. Die Frage, die sich also in der Asylpolitik stellt lautet: Wer verursacht hier eigentlich genau bei wem „horrende Kosten“?
Epilog: Es ist besonders heuchlerisch, wenn sich jetzt Politiker*innen aus CVP, FDP oder SVP „empören“. Sie haben bisher immer dafür gestimmt, dass die Schweizer Wirtschaft mit jedem Menschenschlächter der Welt Geld machen darf. Wir sind gespannt ob jene die ausrufen, in ein paar Monaten im Parlament dann der Konzernverantwortungsinitiative zustimmen oder nicht. Diese würde es erstmals möglich machen, dass z.B. Opfer von Zwangsarbeit auch in der Schweiz gegen verantwortliche Firmen klagen könnten.
[1] Die Daten zum Schweizer Goldhandel werden seit kurzem publiziert. Ab 1981 hatte der Bundesrat die Publikation der Herkunftsländer verboten um die Verletzung der internationalen Sanktionen gegen Südafrika durch die Schweiz zu verschleiern. Die Aufhebung der Sperre erfolgte übrigens dank einem Vorstoss meiner Wenigkeit.