Zum Schlagwort „Lohndiktat“: Frei ist nur, wer seine Freiheit gebraucht!

Die parlamentarische Rechte in der Schweiz ist in heller Aufregung. Linke und Gewerkschaften haben es tatsächlich fertig gebracht, eine ganze Reihe von Initiativen zu sammeln, die die uneingeschränkte Herrschaft der classe économique in Frage stellen: Mit der 1:12-Abstimmung im November kommt die erste Vorlage vors Volk, nächstes Jahr folgt die Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn. Die überbezahlten Werbefachleute haben jetzt offenbar das Schlagwort gefunden, mit dem sie die „kommunistischen“ Volksinitiativen bodigen wollen: Nein zum staatlichen Lohndiktat!

Flächendeckend wurde die millionenschwere Kampagne von Economiesuisse und Konsorten lanciert. Die Warnung klingt einleuchtend: Wer will schon unter einem Diktat leben? Und dann noch ein Diktat vom Staat? In jeder Diskussion weist dann der Vertreter von rechts noch darauf hin, das habe man in der Sowjetunion bereits einmal ausprobiert und dieses Modell sei schliesslich gescheitert. Das Schlagwort vom „staatlichen Lohndiktat“ hat nur einen kleinen Haken: Wir leben in einem demokratischen Staat. Und in einer Demokratie, die ihre grundlegenden Gesetze dann auch noch per Volksabstimmung beschliesst, ist das „staatliche Lohndiktat“ nichts anderes als der demokratische Wille des Volkes. Wer also gegen staatliche Entscheide ist, ist gegen nichts anderes als die Demokratie. Und tatsächlich liegt genau dort die Angst der rechten Parteien: Die Angst, das Volk könnte auf die Idee kommen, auch mal in der Wirtschaft ein paar demokratische Regeln zu verankern.

Überall Staat. Nur nicht dort, wo es darauf ankommt

Es stehen sich bei diesen Abstimmung zwei Weltanschauungen gegenüber: Für die einen ist demokratische Politik vor allem etwas Mühsames, etwas Lästiges, etwas, das die „Unternehmer“ im „freien Markt“ daran hindert zu tun und zu lassen, was sie wollen. Es ist schon beeindruckend, wie doppelbödig die Rechte argumentiert: Genau diese Kreise fordern immer mehr Staat, wenn es darum geht die Überwachung der Bürger, die Repression gegen Flüchtlinge oder das polizeiliche Vorgehen gegen Junge oder Fussballfans durchzusetzen. Die ehemalige Mittepartei CVP will sogar die Kleidervorschriften an den Schulen mittels staatlichem Diktat durchsetzen. Aber wenn es um die ganz grundlegenden Regeln unserer Gesellschaft geht, dann stört der Staat, dann stört das Volk. Und weil es im Volk nicht so gut ankommt gegen das Volk zu sein und weil es noch weniger gut ankommt, wenn man versucht die eigenen Privilegien und die der Abzocker-Freunde zu verteidigen, spricht man eben vom „Lohndiktat“.

Auf der anderen Seite stehen die Demokrat_innen. Und diese wollen nicht einsehen, warum die Demokratie – auf die immer alle so stolz sind – ausgerechnet vor den Türen der Unternehmen, vor unseren Arbeitsplätzen halt machen sollte. Warum sollte sie das? Warum sollen wir jedes kleinste Detail unseres Lebens bis und mit der Ausbildung von Hundehalter_innen demokratisch regeln, aber nicht die ganz zentrale Frage, wie wir den gemeinsam erarbeiteten Reichtum verteilen?

Frei ist nur, wer seine Freiheit gebraucht!

In der Bundesverfassung steht, dass „frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht“. Wie wahr. Leider haben die Antidemokrat_innen in unserer Gesellschaft die Oberhand. Sie versuchen unsere Entscheidungsfreiheit mehr und mehr zurück zu drängen. Sie sind tatsächlich daran, den ganzen Kontinent nach ihrem Gusto umzubauen: Nicht mehr Demokratien bestimmen heute das Schicksal der Länder Europas, sondern private Finanzspekulanten, Banken und die von ihnen finanzierten Parteien. In Griechenland genauso wie in der Schweiz. Mit dem Unterschied, dass wir in der Schweiz eine grosse Chance haben: Die Chance zu zeigen, dass wir unsere Freiheit gebrauchen und die Demokratie zurückfordern.

Dieser Artikel ist in der Mittelland Zeitung/Aargauer Zeitung vom 13.09.2013 erschienen.

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