Vor wenigen Wochen wurde der ehemalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er Wahlkämpfe illegal mit ausländischen Geldern finanziert haben soll. Anfang Jahr deckten Recherchen auf, dass die AfD verdächtigt wird, Spenden in Millionenhöhe über illegale Kanäle abgewickelt zu haben. Das Geld soll aus Österreich stammen. Dort brachte bereits 2019 die sogenannte «Ibiza-Affäre» um den damaligen FPÖ-Chef Strache die Regierung zu Fall. Strache hatte russischen Oligarchen korrupte Geschäfte angeboten, ohne zu wissen, dass das Gespräch aufgezeichnet wurde. Letztes Jahr wurde in Italien ein ganzes System von Korruption rund um den ehemaligen ligurischen Regionalpräsidenten und Verbündeten von Giorgia Meloni aufgedeckt. Wo man hinschaut, scheinen Spendenskandale und Korruption die Politik zu durchziehen – zumindest in unseren Nachbarländern. Sucht man in der Schweiz nach ähnlichen Fällen oder gar entsprechenden Gerichtsverfahren, sucht man vergebens. Ist die Schweizer Politik also ein Paradies der Ehrlichkeit? Leider nein. Der einzige Grund, warum es hierzulande kaum Korruptionsskandale um gewählte Politiker:innen und Parteien gibt, ist, dass politische Korruption in der Schweiz schlicht legal ist.
Erinnern Sie sich noch daran, wie nach dem Untergang der Credit Suisse im März 2023 ein Aufschrei durch die politischen Parteien ging? SVP, FDP und Mitte überboten die SP mit radikalen Forderungen nach harter Regulierung für den Bankenplatz und die neue Mega-UBS. Ist Ihnen aufgefallen, was aus diesen Forderungen geworden ist? Richtig: nichts. Endlich, nach zweieinhalb Jahren, will der Bundesrat die Kapitalanforderungen an die UBS minimal verschärfen. Und was fordert die Mehrheit der Wirtschaftskommission Anfang November? Sie ahnen es: eine weitere Abschwächung der Vorschläge. Ich möchte niemanden falsch verdächtigen, aber Hand aufs Herz: Könnte das vielleicht ein ganz klein bisschen mit den 1,2 Millionen Franken Parteispenden zu tun haben, die die UBS 2024 den bürgerlichen Parteien unter der Bedingung zukommen liess, sie müssten sich «zum Finanzplatz bekennen»? Selbstverständlich hat das Parlament eben erst einen Vorstoss abgelehnt, der solche Zahlungen von systemrelevanten Banken verbieten wollte.
Die Onlinezeitung «Republik» hat kürzlich die Mandate der Mitglieder von National- und Ständerat ausgewertet. Das Fazit: Die Parlamentsmitglieder haben heute ein Fünftel mehr bezahlte Mandate als noch vor fünf Jahren – 806 Mandate auf 246 Gewählte. 70 Prozent dieser Mandate entfallen auf die drei Parteien aus dem Beispiel oben. Fast alle Nebenjobs sind laut den Journalist:innen solche, «die die Parlamentarier:innen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht halten würden, sässen sie nicht im nationalen Parlament». Zu Deutsch: Konzerne und mächtige Verbände kaufen sich schlicht ihre Stimmen im Parlament. Und das nicht billig. Diese Mandate können beträchtlich einschenken: Laut dem unabhängigen Verein Lobbywatch verdient ein Ständerat in einem Fall für zwei Mandate 450’000 Franken pro Jahr. Ganz legal. Für neun weitere Mandate derselben Person gibt es keine Angaben. Transparenz? Fehlanzeige!
In der Schweiz darf man das. Es gibt keine griffigen Gesetze. Das hat Folgen. Wer zahlt und Mandate verteilt, diktiert auch in der Schweiz die Politik. Eine Studie der ETH Zürich kommt zum Schluss, dass nach diversen Runden von Steuersenkungen beim Bund und in den Kantonen heute die Familie eines Multimillionärs im Tiefsteuerkanton Zug proportional weniger Steuern bezahlt als eine Durchschnittsfamilie in anderen Kantonen. Die Frage sei erlaubt: Warum lassen wir uns das eigentlich bieten?
Dieser Text ist als Kolumne in den Zeitungen der Aargauer Woche erschienen.