Was micht überrascht, ist die Überraschung über Trumps Zollwillkür

Donald Trump hat es also getan. Am 2. April hat der 47. Präsident der USA sein neues Zollregime vorgestellt. Dass das kommt, wusste man. Was genau kommen würde nicht. Trotzdem haben mich nicht die hanebüchenen Zolltarifberechnungen am meisten überrascht, sondern die Reaktionen darauf. Gerade in der Schweiz. Verschiedene Kommentator:innen und auch der Bundesrat scheinen von der Willkür der trumpschen Zölle überrascht. Namentlich Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin an der Pressekonferenz der Regierung zum Thema. Das bedeutet, dass die Schweizer Regierung noch immer nicht verstanden hat, mit wem sie es zu tun hat.

Der Punkt ist: Willkürliche Entscheide sind bei Trump nicht irrational oder Ausrutscher, sondern bewusste Strategie. Willkür und Lüge sind die Kerninstrumente autoritärer Herrschaft. Und zwar nicht einfach plumpe Lügen aus Propagandagründen (gut, das auch), sondern es sind Loyalitätstests. Demokratische Herrschaften stellen Loyalität über bestimmte Verfahren her, zum Beispiel allgemein akzeptierte Regeln für Wahlen und Abstimmungen. Man entscheidet gemeinsam nach transparenten Regeln, alle akzeptieren das Resultat. Autokratien können das nicht, sie können ja keine ernsthaften Wahlen zulassen. Also besteht das einzige Instrument im dauernden Test der Untergebenen auf ihre Loyalität. Und der wirkungsvollste Test ist zu schauen, wer sich dafür hergibt auch noch die dümmste Lüge und die willkürlichste Entscheidung zu verteidigen und als nachvollziehbar darzustellen. Darum ist es so verheerend, wenn jetzt demokratische Regierungen versuchen auf Grundlage dieser absurden Zollberechnungen einen „Deal“ mit Trumo zu finden.

Das Instrument ist nicht neu. Und, Achtung, jetzt kommt der gefährliche Teil, eben auch nichts, was Trump „von aussen“ in das System der bürgerlichen Demokratie trägt. Der neue Faschismus – Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey nennen in den „demokratischen“ Faschismus – ist generell nichts, das von aussen kommt. Wenn Trump die Hetze gegen Migrant:innen radikalisiert, dann haben vor ihm liberal-demokratische Parteien dafür den Boden bereitet. Wenn Trump die Diskriminierung von transgender Personen und FLINTA-Personen forciert, dann haben ihm vorher die „Anti-Wokness“-Kampagnen auf Titelseiten und in Parlamenten die Vorarbeit geleistet. Wenn Musk und Trump die Gewerkschaften zerschlagen wollen, dann ist das seit langem Teil der Strategie der bürgerlichen Parteien.

Solche Loyalitätstest wie Trumps Willkür gibt es auch in bürgerlichen Demokratien, Trump radikalisiert das Instrument. Loyalität und damit die Frage des Zugangs zu den Machtzirkeln der bürgerlichen Herrschaft wird auch in normalen Zeiten in liberal-bürgerlichen Demokratie über diesen Test hergestellt. Einfach etwas subtiler. Zum Beispiel in dem man die Lüge wiederholen muss, der neoliberale Kapitalismus sei das beste System um Demokratie, Wohlstand und persönliche Freiheit herzustellen. Egal wie absurd die Aussage angesichts der multiplen Krisen von Ungleichheit bis Klima ist, an denen der Kapitalismus kläglich scheitert. Wer das nicht unterschreibt, wird kaum je Teil der wirtschaftlichen Elite.